„Yin Yoga – Was bringt Üben auf die sanfte Tour?“

Ohne Nacht kein Tag, ohne Arbeit kein Vergnügen, ohne Yin kein Yang. Das Leben ist voller Gegensätze – das wussten bereits die chinesischen Philosophen im fünften Jahrhundert. Und sie wussten auch um die Bedeutsamkeit dieser Gegensätze. Auf dieses uralte Wissen baut Yin Yoga auf.

Was Yin Yoga ausmacht? Während dynamische Yoga-Formen, wie Power, Ashtanga, Jivamukti und Bikram Yoga, den Fokus auf schnelle und fließende Asana-Abfolgen richten, haben schnelle Bewegungsabläufe beim Yin Yoga oder „Taoistischen Yoga“ keinen Platz.

 Dynamische Yogastile sind dem Yang zuzuordnen. Beim Yin Yoga geht es genau um das Gegenteil. Yin ist statisch und wirkt beruhigend. Yang dagegen bewegt und verändert.

Yin Yoga konzentriert sich auf die Dehnung des Bindegewebes, stabilisiert die Gelenke und hält sie länger geschmeidig. Man könnte sagen: Es ist die sanfte Tour der Yoga-Richtungen. Schnelle Bewegungsabläufe haben hier keinen Platz. Laut des Stil-Begründers Paul Grilley stellt sich bei regelmäßiger Yin Yoga-Praxis mit der Zeit von ganz alleine ein Bedürfnis nach regelmäßigem Meditieren und der Wunsch nach Abschalten ein.

In der Ruhe liegt die Kraft. Beim Yin Yoga folgt die Kraft der Ruhe.

Im Leben und in der Yin Yoga-Praxis gilt: Erst die Arbeit, dann das Vergnügen. Arbeit, das bedeutet in diesem Fall das lange (Aus-)Halten – teilweise bis zu zehn Minuten – von Asanas, die sich zunächst unangenehm anfühlen. In den Haltungen kommen die verschiedensten Emotionen an die Oberfläche: Von Wut über Ärger bis hin zu Traurigkeit, Langeweile oder Ungeduld. Zum Glück lässt das Vergnügen nicht allzu lange auf sich warten – es stellt sich unmittelbar nach der jeweiligen Asana ein. Dann nämlich folgt die große Erleichterung: Der Yin Yogi spürt förmlich, dass er eine ganze Menge Platz geschaffen hat. So, als hätte man nach langer Zeit endlich den vollgestopften Dachboden entrümpelt oder den Kleiderschrank ausgemistet und sich von allem Unbrauchbaren getrennt. Altes muss weichen, bevor Neues kommen kann.

Die Essenz

Statt Muskelaufbau hat Yin Yoga die Stärkung des Gewebes zum Ziel. Passive Dehnungen werden über einen längeren Zeitraum gehalten, damit die Muskulatur entlastet wird und entspannt. Bei dieser Form von Yoga fließen die unterschiedlichsten (Heil-)Methoden und Philosophien zusammen: Yin Yoga gründet auf anatomischen Verständnis und verbindet taoistische Meridian-Lehren, die Akupunktur-Lehre der chinesischen Medizin und die yogischen und tantrischen Lehren Indiens. Der Energiefluss wird zunächst verlangsamt und Chi wird bewusst in die Meridiane, die eng mit unserem Bindegewebe verbunden sind, gelenkt. Meridiane sind letztlich nichts anderes als gebündeltes Wasser. Beim Yin Yoga geschieht so etwas wie eine Reinigung der verstopften Kanäle – dabei werden körperliche und emotionale Blockaden gelöst. Die Gelenke werden beweglicher und der Geist ruhiger. Nicht zuletzt deshalb ist Yin Yoga auch als erster Einsteig in die Meditation geeignet. “ Lesley Sevriens – Yoga Journal

„Bäume sind Heiligtümer. Wer mit ihnen zu sprechen, wer ihnen zuzuhören weiss, der erfährt die Wahrheit. Sie predigen nicht Lehren und Rezepte, sie predigen, um das einzelne unbekümmert, das Urgesetz des Lebens.

Ein Baum spricht: In mir ist ein Kern, ein Funke, ein Gedanke verborgen, ich bin Leben vom ewigen Leben. Einmalig ist der Versuch und Wurf, den die ewige Mutter mit mir gewagt hat. Einmalig ist meine Gestalt und das Geäder meiner Haut; einmalig das kleinste Blätterspiel meines Wipfels und die kleinste Narbe meiner Rinde. Mein Amt ist, im ausgeprägten Einmaligen das Ewige zu gestalten und zu zeigen.

Ein Baum spricht: Meine Kraft ist das Vertrauen. Ich weiss nichts von den tausend Kindern, die in jedem Jahr aus mir entstehen. Ich lebe das Geheimnis meines Samens zu Ende, nichts anderes ist meine Sorge. Ich vertraue, dass Gott in mir ist. Ich vertraue, dass meine Aufgabe heilig ist. Aus diesem Vertrauen lebe ich.

Wenn wir traurig sind und das Leben nicht mehr gut ertragen können, dann kann ein Baum sprechen: Sei still! Sieh mich an! Leben ist nicht leicht, leben ist nicht schwer! Das sind Kindergedanken.

Bäume haben lange Gedanken, langatmige und ruhige, wie sie ein längeres Leben haben als wir…“